Unsere Mini-Serie mit Expert.innen zu unseren Megatrends aus dem RED Wettbewerb ist da und heisst ‘Walk the talk insights’! Sie besteht aus fünf Fokus-Beiträgen mit relevanten Learnings von Menschen, die auf ihrem Gebiet viel Ahnung haben!
Die Ausgangslage könnt ihr im Post ‘'Interner Wettbewerb'’ nachlesen. Das erste Gespräch lief unter dem Megatrend-Thema Wissenskultur und Co-Working. Darunter verstehen wir: Wenn jede Person ihr Wissen und ihre Ressourcen teilt, profitieren alle. Deshalb heisst diese Folge auch ‘Sharing is caring'. In diesem Thema ist vieles über geteiltes Wissen, Knowledge Management, Knowledge Networking, Kartografieren oder sichtbar machen von Wissen und diverse Arbeitsformen nachzulesen.
Jetzt wollen wir aber ganz gerne sehen, wie die Theorie in der Praxis aussieht. Dazu hatten wir die Chance, mit zwei Experten aus dem Feld zu sprechen: Change Bäcker Ruggero Crameri von Crativ und Flex-Büro Wizard Daniel Hediger von Immodea.
Wir haben hier eine tolle grafische Zusammenfassung unseres Gesprächs. Wenn ihr mehr erfahren wollt, scrollt einfach weiter runter, um unsere Learnings auch in Worten nachzulesen!
Warum ist das Thema relevant?
Daniel: Coworking ist so lange relevant, wie Menschen zusammenarbeiten wollen. Ganz speziell, um ein gemeinsames Ziel zu erreichen! Neue Lösungen für aktuelle Herausforderungen kreieren, kann man sowieso oft nicht alleine bewältigen. Deshalb sind Coworking Spaces ein guter Einstiegs-Ort, um eine Expedition für die Vernetzung von Mitarbeitenden zu ermöglichen. Solche Abenteuer-Reisen sind vor allem für kleinere Unternehmen relevant, die Wert darauf legen, dass Menschen in ihren Organisationen eine Beziehung und Vertrauen zueinander aufbauen können. Dabei wird inspiriert und neue Impulse können entstehen. Das ist ein bewusster Entscheid, den Mitarbeitende je nach individuellem Kalender und Aufgaben fällen können. Das ist eine selbstbestimmte, individualisierte Arbeits-Philosophie.
Ruggero: Ich bin entweder bei Kund.innen oder in Coworking-Spaces. Dabei habe ich zwei Remote-Working-Modi: Entweder gehe ich in ein Café oder in ein (gehostetes) Coworking, wo ich durch eine/mehrere nette Personen mit anderen Besuchenden vor Ort vernetzt und zusammengebracht werde. Ein Selbstbedienungs-Coworking oder Café bringt mir jetzt persönlich keinen so grossen Mehrwert, da keine Gelegenheiten geschaffen werden, andere Menschen zu treffen und von gesammeltem Wissen zu profitieren. Serendipity (eine zufällige Beobachtung von etwas ursprünglich nicht Gesuchtem, das sich als neue und überraschende Entdeckung erweist) findet nämlich genau so statt!
Was sind die Auswirkungen auf die (gewerbliche) Immobilien-Branche?
“Im Moment ist es ein bisschen wie Kaffeesatz-Lesen.” – Daniel
Daniel: Corona hat sehr viel Hektik auch bei Immobilien-Eigentümer.innen ausgelöst. Nichtsdestotrotz, lief es trotz der Pandemie für den schweizer Büro-Immobilienmarkt ziemlich gut. Dabei haben wir zwei dominante Bewegungen beobachtet:
Immobilien-Leerstände im Bürobereich wurden abgebaut, mehrheitlich aufgrund von Standort-Optimierungen
Organisationen, die ...
es sich leisten können
durch positive Geschäftsentwicklungen
in Märkten tätig sind, die Wachstum versprechen
oder auf hochqualifizierte Mitarbeitende angewiesen sind
… haben kräftig in ihre Büro-Immobilien investiert.
Es geht hier aber über Statement-Arbeitsumgebungen mit Spielwiese à la Google hinaus. Diese Beobachtungen im Markt sind stark abhängig vom Büro-Standort. Auf der städtischen Immobilien-Seite hat es sich auch gut entspannt, da viele im Markt gemerkt haben, dass Mietende trotzdem die Büroflächen brauchen, aber sie einfach anders strukturieren. Beispielsweise sind es statt 50 Arbeitsplätze heute auf der gleichen Fläche nur noch zehn, aber mit mehr Begegnungszonen, Meeting- und Workshop-Räumlichkeiten. Wohingegen in den ländlichen Grossflächen-Büros von Mietenden stärker konsolidiert und reduziert wurde. Die grosse Frage hier ist natürlich, bleiben diese Trends bis in zwei bis drei Jahren oder werden wir ganz andere Ansprüche bis dahin entdecken.
Ruggero: Ein wirklich schönes Stichwort bei diesen Entwicklungen ist Heimat bzw. Identitäts-Ort. Was auch immer Heimat für die jeweiligen Organisationen bedeutet. Ich finde, dass sich die Zukunft eher in eine Standort-losgelöste Richtung entwickeln wird. Hyper Island ist für Lernumgebungen beispielsweise ein extrem tolles Beispiel und stellt für mich die Zukunft des Lernens dar. Das ist wie ein Coworking mit multifunktionalen Räumen, die flexibel eingesetzt werden können und in denen die Studierenden ihre Inputs holen. Danach geht es raus zu Projektarbeiten, welche Umgebung auch immer unterstützend wirkt. Das ist die Zukunft einer Schule, weil die Inputs immer kürzer werden und das Zusammenarbeiten immer länger. In den Arbeitswelten sehe ich zudem auch extrem viel Potential im Workation und das Zelebrieren des “Überall-Arbeitens”. Auch solche Weisen der Arbeit können identitätsstiftend sein. Unsicherheit in der Entwicklung von Räumlichkeiten, die diese Verbindung von Wissen fördern soll.
“Jemand, der heute behauptet, Wissen zu managen, ist einfach nicht ehrlich! Denn was wir heute noch machen können, ist es lediglich zu vernetzen. Das bedeutet, dass Kollaboration und Wissen von Menschen zusammengebracht, verbunden und final fassbar für andere Menschen gemacht wird.” – Ruggero
Ruggero: Eine grosse Herausforderung in Verwaltungen sind beispielsweise Abwanderungen durch Pensionierungen. Denn sie müssen sich für klar vordatierte Zeitpunkte um zukünftige Arbeitnehmende kümmern und wissen, dass etwas gemacht werden muss. Aber wie bleiben solche, teilweise sehr unflexiblen Organisationen, interessant für die nachfolgenden Generationen? Wenn nichts gemacht wird, haben Institutionen irgendwann massive Probleme, Menschen zu finden, die dort arbeiten möchten.
Daniel: Ich staune immer wieder, welche Gedanken in Organisationen aufkommen, wenn zum Beispiel klar ist, dass aus welchen Gründen auch immer (Platz, Ausstattung, Verträge, etc.) aus-/umgezogen werden muss. Dabei poppen plötzlich sehr viele interessante organisatorische Fragen auf, die meist simultan einen grossen Einfluss auf die Organisationsstruktur bzw. das Geschäftsmodell sowie die angemieteten Büroflächen haben.
Arbeitsmodelle
Arbeitsort
Büro-Auslastung
Wertschöpfungskette
Infrastruktur
Dabei kommt der Raum meist erst als letztes. Im Endeffekt ist das alles eine Wechselwirkung, die Hand in Hand funktioniert.
Organisationsentwicklung darf und macht vieles, sie baut neue Skills in der Organisation auf und macht somit die ersten Schritte in die richtige Richtung. Das spielt auch ins Thema Employer Branding oder Mitarbeitenden-Attraktivität und natürlich das Halten der Mitarbeitenden rein. Aktive Schritte haben einen wichtigen Einfluss auf das Image im Arbeitsmarkt. Beispielsweise setzt Activity Based Working starke Autonomie in der Arbeit voraus, was natürlich äusserst spannend für die neueren Generationen ist.
“Wenn wir die Schweiz bewegen möchten, müssen wir bei kleinen und mittleren Unternehmen anfangen. Nur so können wir vielen Organisationen zum Durchbruch verhelfen.” – Daniel
Grossfirmen beschäftigen sich sowieso mit sich selbst. Auch wenn diese einen beträchtlichen Teil aller Büro-Mitarbeitenden beschäftigen, ist es dennoch nur ein kleines Stück vom Kuchen. Das Tempo für Veränderung in trägeren und grossen Schiffen ist schon beachtlich anders. Meist stehen sie sich selber im Weg. Da haben KMUs einen riesigen Vorteil.
Ruggero: KMUs haben grosses Potential, schnell etwas zu bewegen. Wobei die Grossen es sowieso schon machen, da sie Abteilungen haben, die sich mit der eigenen Organisation selbst beschäftigen. Kleinere Abteilungen generieren sehr schnell grossen Mehrwert für die Organisation. Wobei wir meistens nur zeigen müssen wie!
Wie geht eure Kundschaft mit dem durch diese Trends ausgelösten Wandel um?
Daniel: Mitarbeitende stellen sich meist die zentrale Frage, weshalb sie eigentlich wieder ins Büro gehen (müssen). Wohingegen für Arbeitgebende bzw. KMU-Chefs es oft die Herausforderung ist, wie “Heimat” für ihre Mitarbeitenden geschaffen werden kann und sie alle Personen persönlich treffen können. Teilweise hat das mit fehlender Kompetenz zu tun. Speziell bei Fragen, wie anders geführt oder Mitarbeitende befähigt werden können. Teilweise kann es aber auch das Gefühl von Kontrollverlust sein oder Erfahrungen während der Corona-Pandemie.
Ruggero: Es ist ein Spektrum von Firmen, die gar keine Büros mehr haben, bis hin zu traditionellen Unternehmen, die ihre Mitarbeitenden ins Büro zwingen. Ich denke, wir sind momentan in einer Übergangsphase. Deshalb ist die Transformation auch so eine grosse Herausforderung, um so einen Wechsel zu vollziehen – von einer bisher "normal" funktionierenden Struktur hin zu einer so autonomen. Am Ende wollen wir ja einfach nur Räume, in denen Menschen gerne arbeiten – wo auch immer das sein mag.
Inspiriert? Hier die “low hanging fruits” von unseren Experten für alle, die erste Schritte Richtung flexibler Arbeitsweise, Co-Working und vernetztem Wissen gehen wollen…
Grundlagen, damit Serendipität funktioniert, sind:
Autonomie (Rahmenbedingungen von Arbeitgebenden)
Mitarbeitende zur Autonomie befähigen
Regulierungen sind eine Art Bemutterung
Kulturfrage der Freiheit
Bewusste, qualitative Zusammentreffen (bspw. Team-Tage)
Bedürfnisorientierte Arbeitsplätze (Infrastruktur)
Flexibilität = Laptop
Mitarbeitende Erfahrungen sammeln lassen – es geht nichts übers Ausprobieren > Lust auf Neugier & Dialog = Lernen
Coworking als Test-Räumlichkeiten neben Büros nutzen > niedrige Eintrittshürden
Eigenverantwortung
Kollektive Rahmenbedingungen schaffen mit Team-Agreement/Holacracy Constitution/Code of Conduct
Kultivierung von Empowerment (Teams sollen selber entscheiden)
Silo-Orientierung geht nicht mehr
Förderungen von individuellen Team-Dynamiken
Rahmenbedingungen für ein interaktives Lernen aufsetzen
Food for thoughts am Ende – Das fragen sich auch unsere Experten…
Daniel
Warum akzeptieren Menschen heute noch schreckliche Arbeitsumgebungen oder strapazierende Anreisen zur Arbeit?
Ruggero
Verwaltungen/Versicherungen/etc.: Wie lange geht es noch, bis wir in der Lage sind, Daten in der Cloud so sicher zu handeln, wie wenn es im Rechencenter gelagert wäre? > Grundlagen & Sicherheit
Wieso haben nicht mehr Organisationen flexiblere Rahmenbedingungen?
Mit diesen offenen Fragen von unseren Experten möchten wir unseren Ausflug in das Megatrend-Thema Wissenskultur und Co-Working vorerst beenden.
Quelle: Walk the talk insights: Sharing is Caring, Daniel & Ruggero, 2023, Illustration: ilunica
An dieser Stelle vielen herzlichen Dank nochmal an unsere beiden Gesprächspartner Ruggero Crameri und Daniel Hediger für die tollen Insights!
Wir sagen: Lasst das Lernen beginnen und teilt es miteinander – weil sharing is caring! Wir freuen uns zu lesen, was die Community zu diesem Thema zu sagen hat! Teilt sie mit uns in den Kommentaren und lasst uns darüber diskutieren!
Credits
Brains: Crativ, Ruggero Crameri und Immodea, Daniel Hediger
Illustration: ilunica
Text: Studio Banana in Kollaboration mit Steiner AG
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