Muss man meilenweit gehen, um eine kluge Durchmischung von Wohnen und Arbeiten zu finden? Nein. Sie liegt praktisch schon vor der Haustüre. Neue Räume für eine interessante, erfrischende Co-Creation sind in Entwicklung, sogenannte Möglichkeitsräume. Steiner AG fühlt gerade in Obermeilen dem Zeitgeist auf den Puls. Und rückt näher ran an eine harmonisch dahinfliessende Wechselbeziehung von Wohnen und Gewerbe unter ein und demselben Dach. Es wird fleissig an dieser Mischung possible gearbeitet. Schliesslich soll bald einmal aus der Mischung eine Mission possible entstehen: … die Innovationsmeile von Obermeilen.
Zukunftsforscher sind beflissen daran, Thesen oder Szenarien zu entwickeln, was Industrie 4.0 alles bedeuten kann. Einer von ihnen hat sich in den letzten drei Jahren handfest daran gemacht, die industrielle Zukunft zu definieren: Detlef Zühlke, seines Zeichens Leiter des Fraunhofer-Instituts für Informations- und Datenverarbeitung. Genau genommen hat er diese Zukunft gleich selber gebaut: die «Smart Factory». Es ist eine Demo-Fabrik im Westentaschenformat, quasi eine digitale Fertigungsstrasse. Die Anlage folgt einem modular aufgebauten Prinzip und ermöglicht so eine hochflexible, automatisierte Fertigung. «Smart Factory» fordert auch die Rückkehr der Fabrik in die Stadt. Und die Fabrik will zurück in die Stadt, in Quartiere, wo Leben stattfindet. Wolf-D. Bukov hat es in einem Essay über die Zukunft unmissverständlich dargelegt. Er schlägt vor, den Blick insbesondere auf das Quartier als kleinste Einheit im Stadtgefüge zu lenken. Für ihn wird Urbanität heute vom Quartier repräsentiert. Es ermöglicht die Anschaulichkeit und Erfassbarkeit, die für den urbanen Raum nicht nur sehr typisch ist, sondern gar entscheidend für ein diversifiziertes Miteinander von Industrie, Gewerbe und Wohnen. Der städtische Raum wird so für das alltägliche Leben immer wieder neu realisierte, verdichtete und unmittelbar erfahrbare Räume für die Arbeits- und Wohnwelt hervorbringen, die zum Ausdruck einer Vielfalt für viele werden. Die Fabrik kehrt zurück in die Stadt. Ohne Zweifel. Denn sie ist nicht nur leise und sauber geworden, sie verbreitet auch bei den Quartierbewohnern ein grosses Interesse daran, was in der Fabrik entsteht. Frank Joss und Michael Schiltknecht, Leiter Immobilienentwicklung der Steiner AG, haben sich zu einem Gespräch getroffen, um in einer gedanklichen Auslegeordnung ein wenig herauszuspüren, was es auf sich hat, wenn sich Manufakturen und das Wohnen im urbanen Raum zu einer lebendigen Wechselbeziehung zusammenfügen.
Michael Schiltknecht: Gute Frage. Man liegt wohl nicht komplett falsch, wenn man dabei an eine gut austarierte Durchmischung denkt. Eine, die unsere Stadt bereichert und uns das Leben und Wirken viel einfacher gestalten lässt. Nette Weltverbesserer sind wohl gleich bei der von ihnen sehnlichst herbeigewünschten Work-Life-Balance. Doch wider aller Logik wohnen wir nicht da, wo wir auch arbeiten. Mehr noch: Am Arbeitshorizont tauchen seit einiger Zeit die Jobhopper auf, also moderne Arbeitsnomaden, welche die Wohnung nur noch als Transitort benützen. Der Entscheid, ob wir sesshaft oder toujours auf Achse sein wollen, hat auf beiden Seiten kritische Einflussfaktoren. Wie auch immer: Man kann sechs Experten zu einem Gespräch über künftige Lebensformen an einem Tisch zusammenführen und hat am Ende des Tages oft sechs Meinungen, die diametral auseinandergehen.
Die modernen Nomaden arbeiten heute in Detroit, morgen in Kuala Lumpur und übermorgen trifft man sie bei einem Kongress in Sidney; den Laptop immer griffbereit. Sie jetten durchs Leben und die Welt, als müssten sie tagtäglich vor einer überzuckerten Dauerdepression fliehen. Wer aber taugt als Arbeitsnomade?
Die Frage sei gestellt, auch wenn die Corona-Pandemie gegenwärtig das Reisen erschwert. Dazu gibt es unter den Gesellschaftsforschern und Futurologen sehr unterschiedliche, gar gegensätzliche Meinungen. Eine Studie des BAT Deutsches Freizeitforschungsinstitut hingegen kommt zu einem absolut kontroversen, so nicht erwarteten Ergebnis. Was uns hier interessiert, ist das eigentliche Verhältnis zwischen jenen, die auf der ganzen Welt «on» sind, und den sogenannten Sesshaften. Nun, die meisten Deutschen, und das gilt wohl auch für uns Schweizer, sind für das sesshafte Leben. Fast drei Viertel aller Befragten möchten gerne so arbeiten wie ihre Eltern, in Festanstellung mit klar geregelter Freizeit, ohne häufigen Wohnwechsel – home, sweet home. Auch die Jungen machen da keine Ausnahme: Nur 33 Prozent der 18- bis 34-Jährigen können sich für flexible Arbeitsformen und Mobilität im Berufsleben begeistern. Was nun: Nomade oder Verharrer? Michael Schiltknecht entdeckt da eine gewisse Sowohl-als-auch-Option, eine verbindende Möglichkeit zwischen den, prima vista, weit auseinanderklaffenden Lebensentwürfen.
«Gut möglich, dass die Antwort im Paradoxon liegt, nämlich darin, dass Arbeit und Wohnen eigentlich noch näher zusammenrücken sollten, quasi als eine Art Unabhängigkeitserklärung: Frei zu sein von Ort und Zeit, um entscheiden zu können, ob man gerade arbeiten, wohnen oder aufbrechen will zu einer Stippvisite nach New York, Tokyo oder London. Womit man dann wohl ein «nomad in progress» wäre, angekommen an Orten, wo der Wandel und die Aufbruchstimmung spürbar werden, um alsdann später zu Hause darüber nachzudenken, wo wir unseren Platz über den Normen des Durchschnittlichen doch noch finden werden.»
Die wachsende Lust am Limit wird überall spürbar. Niemand will sich das Leben in quälender, volkshochschultauglicher Zeitlupe erzählen lassen.
Wir leben in einer Zeit voller gesellschaftlicher Privilegien. Es gibt wenig Hindernisse, keine Distanzen, die nicht zu überwinden sind. Wir können unsere Koffer packen, wann immer wir Lust dazu haben. Alles, was uns von einem anderen Ort trennt, sind Kilometer, Meilen, Längengrade, Bahnfahrten oder Flugstunden. Wahrlich ein faszinierendes Kontinuum von Raum und Zeit. Noch nie war es möglich, den Globus im Handumdrehen zu vereinnahmen und in Echtzeit die Gefühlslage anderer Länder und Kulturen zu erfahren. Unser Zuhause ist überall auf dieser Welt. Aber in einer gewissen Ambivalenz wächst auch das Verlangen nach Ruhe und Beschaulichkeit, nach Zeithaben und Innehalten und nach einer physischen Basis, je hektischer wir den Tag in Minuten und Stunden durchtaktiert haben. Da sind halt letztlich doch unsere vier Wände, in denen wir unser Leben gestalten und planen: freies Denken und Sein – mit festem Wohnsitz. Eine Frage beschäftigt mich schon lange, wie nämlich Massstäbe und Orientierungen in dieser Zeit eines tiefgreifenden gesellschaftlichen Wandels gelebt werden können. Nun, eines ist sicher: Es wird die Menschen herausfordern, sich selbst immer wieder ein wenig neu zu erfinden, um besser verstehen zu können, was man will und wo das Ziel unserer persönlichen Reise ist. Für die Innovationsmeile in Obermeilen hat Steiner AG das Hinterfragen als Herausforderung angenommen, dies mit einer Feldstudie von CBRE. Die Institution ist international unterwegs. Sie berät Kunden im Bereich Immobilien mittels Tools für Standortanalysen und entwickelt entsprechende Strategien. Die Studie ist sehr aufschlussreich hinsichtlich der Themen geografische Lage, Arbeitsstätte und Ort, an dem man wohnt. Dazu Michael Schiltknecht, Leiter Immobilienentwicklung:
«Von 96 Kleinbetrieben in Obermeilen und Umgebung wollte man wissen, inwieweit der kurze Weg zwischen daheim und dem Arbeitsort bereits schöne Realität ist. Man lese und staune: Über 30 Prozent wohnen und arbeiten bereits unter dem gleichen Dach oder haben zwischen den beiden Orten nur eine minimale Distanz zurückzulegen. Man mache die Rechnung, wenn viele Menschen viele gute Ideen austauschen: Da kommt ein hohes Potenzial an Innovationen zusammen, das unweigerlich antreiben wird, zu neuen Ufern aufzubrechen.
Die Luzerner Architekten Deon in partnerschaftlicher Zusammenarbeit mit den Landschaftsarchitekten von Goldrand GmbH und intosens ag – urban solutions werden im Rahmen eines Studienauftrags, an dem sechs Teams teilgenommen haben, vom Beurteilungsgremium einstimmig auserkoren, an der Projektstudie Innovationsmeile weiterzuarbeiten. Die Strasse zum Erfolg ist mit guten Steinen gepflastert – der Projektname verkündets: Mary Green 4.0. Nomen est omen.»
Die in der Innovationsmeile angedachte Netzwerkökonomie, nämlich das Verflechten von Industrie, Gewerbe und Wohnen, führt auf kurzen Wegen von A nach B. Egal, ob sie ins Café, zum Shoppen, Wohnen, zur Arbeit oder ins Fitnesszentrum führen. Die Innovationsmeile ist ein klug ineinander verschränktes Nervensystem und keine Bahnhofsmission für Wohn- und Arbeitsbedürftige, für welche alles fugenlos in den Selbsterfüllungsapparat passen muss. Sie wird für jene entwickelt, die aus einem wohltemperierten Revier aus- und in eine Welt eintreten wollen, in welcher nicht schon alles bis ins kleinste Detail vorbestimmt ist.
«Beim Zusammentreffen von Menschen, die neugierig in die Zukunft blicken, werden sich kleine und grosse Ideen vervielfachen, frei interpretiert nach den Gedanken des griechischen Philosophen Platon: «Wenn zwei Knaben je einen Apfel haben und diese tauschen, hat am Ende auch nur jeder einen. Wenn aber zwei Menschen je einen Gedanken haben und diese tauschen, hat am Ende jeder zwei neue.» Man mache die Rechnung, wenn viele Menschen viele gute Ideen austauschen: Da kommt ein hohes Potenzial an Innovationen zusammen, das unweigerlich antreiben wird, zu neuen Ufern aufzubrechen. Die Innovationsmeile, das sei vorweggenommen, wird Menschen zusammenbringen, die nicht im Rückwärtsgang in die Zukunft fahren wollen, die viel eher in eine Stadt oder Stätte des Machens einziehen wollen.
Die Innovationsmeile bietet gerade Paaren, bei denen beide berufstätig sind, die Chance einer Neuorientierung. Der eine werkelt unterhalb der Wohnung in seinem Schmuckatelier, derweil der andere zur Arbeit in die City fährt.
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Walter Zueck
Meine Welt, das Innovationslabor.